Kaffee trinken in Antigua Guatemala

Donnerstag, 7. Februar 2019

"Einfach nur zwei Ecken geradeaus gehen, dann seid ihr beim Hostal", sagt der Minibusfahrer zu uns, als wir unsere Rucksäcke aus dem Kofferraum holen. Es ist 7:30 Uhr in der Früh, wir sind mit dem Nachtbus von Flores angereist. "Mah, da riecht es voll gut", ist das erste was ich zu Roland sage als wir in Antigua aussteigen.




Es duftet nach süßem Gebäck in den kleinen Gassen, alles ist noch so herrlich ruhig frühmorgens. Noch kaum Verkehr. Wir gehen die paar Meter zu unserem Hostal und bestaunen einen der drei Vulkane, die Antigua umgeben. Keine Wolke ist um den Krater, wir können ihn in voller Pracht bewundern.


"Picturesque" 

...ist das erste Wort was mir einfällt, um diese wunderschöne Stadt Antigua Guatemala zu beschreiben. Mit "malerisch" übersetzt es das Online-Wörterbuch. Wir finden Antigua einfach nur fotogen.

Roland und ich gehen durch die kopfsteingepflasterten Straßen und bleiben bei fast jedem Haus stehen und machen ein Foto. "Mah schau, diese Farben harmonieren so schön", sagen wir alle paar Meter zueinander. Bunte Fassaden, rote Ziegeldächer, blitzblauer Himmel und im Hintergrund erheben sich Vulkane. Wir gehen auf die andere Straßenseite, um das Haus in voller Pracht zu bewundern und ein Foto zu schießen.

Weihnachten und Rum. Das passt.



Antigua - Herz, was willst du mehr?

Antigua ist eine perfekte Stadt für Traveller: Alles ist zu Fuß erreichbar. Wunderschöne Kolonialarchitektur. Angenehmes Klima: Die Stadt liegt auf 1.400 Meter. Morgens ist es frisch, aber nicht zu kalt. Tagsüber angenehm warm. Wir flanieren einfach durch die Straßen, entdecken reizvolle Details an den Fassaden. Beobachten das Leben der Guatemalteken, die Waren die sie in Körben auf ihren Köpfen transportieren. Drücken den Auslöser der Kamera.









Während wir zu Fuß durch die Stadt gehen, duftet es nach süßem Gebäck und Bananenbrot aus den vielen Bäckereien. Gemütliche Cafés laden uns zu einer Pause ein. Schließlich wächst einer der weltbesten Kaffees nahe der ehemaligen Kolonialstadt. Die fruchtbaren Vulkanböden verleihen ihm ein besonderes Aroma.

"Boah, das ist der beste Kaffee seit....ich kann mich gar nimma erinnern, wann wir so einen guten Kaffee hatten", sagt Roland zu mir als er das erste Mal an seinem Cappuccino genippt hat.


Alte, ausrangierte US-Schulbusse fahren durch die Straßen. Sie sind ordentlich aufgepimpt, verchromt, bunt bemalt. Einzigartige Meisterwerke. Mit lautem, krachendem Motor brettern sie durch die kleinen Straßen von Antigua.


Die Bewohner setzen noch das I-Tüpfelchen auf diese wunderschöne Stadt drauf. Frauen und Männer in traditioneller, bunter Kleidung verleihen Antigua einen einzigartigen Charme.




Eduardo's grünes Gold

Am Fuße des Vulkan Agua in der Nähe von Antigua wächst einer der weltbesten Arabica-Kaffees. An einem Vormittag als es noch angenehm frisch ist, machen wir uns auf den Weg zu einer Kooperation von Kaffee-Kleinbauern. Heute wollen wir sehen, wie Kaffee angebaut wird und welche Schritte nötig sind, bis das schwarze Gold täglich in unseren Tassen landet.


„Wie lange dauert es, einen Sack voller Kaffeebohnen zu pflücken?“, fragen wir den Kaffeebauern Eduardo.
„Wenn einer geübt ist, schafft er es an einem halben Tag. Er bekommt 90 Quetzales dafür“. Roland und ich schauen den riesigen Jutesack vor uns an, er fasst gut 130 Pfund. Zehn Euro sind das umgerechnet für einen halben Tag harte Arbeit in der Hitze. "Bei den großen Plantagen kriegen die Arbeiter nur die Hälfte“, fügt er noch hinzu.

Eduardo erklärt uns den gesamt Kultivationsprozess, vom Anbauen der Pflanzen bis zur Ernte. 

Ihm kommt ein freudiger Lacher aus, als er von der ersten Kaffeeernte nach drei Jahren erzählt. Wir sehen ihm an, was für ein Glück das damals für ihn und seine Familie war. „Dann gibt es eine Fiesta. Die ganze Familie freut sich. Wir trinken eine Cola. Oder Bier und freuen uns, endlich den Ertrag für die jahrelange harte Arbeit zu bekommen.“


„Nur die roten sind die guten“

Die gesamte Ernte erfolgt per Hand, damit die hohe Qualität gewährleistet werden kann: Nur die wirklich roten Bohnen sind die guten. Dann werden sie von einer Maschine geschält, fermentiert und für ein bis zwei Tage getrocknet.


Per Hand sortieren die Bauern anschließend die beschädigten Bohnen aus. Es ist nur ein kleiner Fleck der ausreicht, damit sie nicht zur besten Qualität zählen. „Diese Bohnen verkaufen wir am lokalen Markt. Der Kaffee schmeckt genauso gut“, meint Eduardo.


Später gehen wir in sein Haus und rösten unseren eigenen Kaffee. Wir versuchen uns auch an der „Mulle“, wo wir unseren in der Pfanne gerösteten Kaffee mahlen. Roland macht sich recht gut, eifrig mahlt er den Kaffee, bis er ganz fein ist. Eduardo möchte ihn am liebsten zum Mahlen anstellen, scherzt er. 




Es duftet herrlich nach frisch gemahlenem Kaffee im gesamten Haus. Eduardos Tochter gießt das schwarze Pulver mit kochendem Wasser auf. Alle warten wir vor dem dampfenden Topf und atmen tief den frischen Kaffeeduft ein. Mhhhhh

"Darauf sind wir stolz"

Als wir beim Kaffee sitzen, erzählt uns Eduardo, wie hart er und seine Frau gearbeitet haben um sich als Kaffeebauern einen Existenz aufzubauen. „Ich selbst bin nur drei Jahre zur Schule gegangen. Meine Kinder kann ich schon 12 Jahre zur Schule schicken. Darauf sind wir stolz", er pausiert kurz. "Wir wollen immer ein bisschen mehr schaffen. Jedes Jahr strengen wir uns an, damit wir die Qualität des Kaffees noch mehr verbessern. So sind unsere Klienten zufrieden und zahlen uns einen fairen Preis.“

Zur Info: Es gibt zwar öffentliche Schulen in Guatemala, die Qualität dort ist aber unvorstellbar schlecht. Deshalb versuchen alle, ihre Kinder auf private Schulen zu schicken, die für lokale Verhältnisse recht teuer sind.

Eduardo nimmt einen Schluck vom Kaffee und erzählt uns wie wichtig der Kaffee für sein Leben ist: „Beim Anbau von Bohnen und Mais verdienen wir sehr wenig, es reicht kaum zum Leben. Dank des Kaffees konnten wir uns ein ordentliches Haus bauen, mit einem richtigen Dach. Vorher war es nur ein Palmdach. Ich kann die Kinder zur Schule schicken. Stück für Stück erarbeiten wir uns mehr Lebensqualität. Die Touristen die kommen, helfen uns auch sehr."

"oro verde"


Mit zwei Packungen Kaffee in der Hand verabschieden wir uns von Eduardo und Luis, der uns auch bei der Tour begleitet hat. Roland und ich sind voll begeistert, wie authentisch diese Tour ist. Eduardo erklärt uns seine tägliche Arbeit, nichts ist verschönt, alles ehrlich. Wir sehen, wie hart die Arbeit ist.

Es ist unglaublich, was für eine immenser Aufwand hinter dem „oro verde“ wie er seine grünen Kaffeebohnen nennt, steckt. Wir trinken ganz selbstverständlich jeden Tag ein paar Tassen von diesem - seinem - grünen Gold.



"Hallo. Ich heiße Julia und möchte Deutsch lernen"

steht auf dem grünen Zettel, der auf dem Infoboard bei unserem Hostal in Guatemala hängt. Ich fotografiere ihn ab, und schreibe dem Mädl. Julia lernt seit drei Jahren deutsch und möchte Besuchern ihre Stadt zeigen, um ihr Deutsch zu verbessern. Stadtspaziergang mit einem Local, das gefällt uns.

Ein paar Stunden später piepst auch schon mein Handy. "Ok, Dienstag um 11:00 Uhr treffen wir uns im Café Barista", sage ich zu Roland.


Den ganzen Tag spazieren wir mit dem 18-jährigen Mädchen durch die Stadt. Immer wieder schwärmt sie uns von ihrem dreimonatigen Deutschland-Besuch Anfang des Jahres vor. "Ich möchte unbedingt Biochemie dort studieren. In Guatemala gibt es keine gute Forschung in diesem Bereich."


Julia ist gebildet, sie will auf die Uni. Ihr Deutsch ist total flüssig, fast fehlerfrei. Englisch spricht sie fließend. Das typische Frauenbild in Lateinamerika nervt sie. Die Laufbahn von Hochzeit und Kind Anfang zwanzig ist nichts für sie. Bei ihrem Ehrgeiz und ihrer Intelligenz können wir es beide kaum fassen, dass sie erst 18 Jahre alt ist. "So vernünftig waren wir nicht mit dem Alter", sagt Roland zu mir, während wir gemeinsam mit ihr durch den lokalen Markt spazieren.



Schwerbewaffnete sehen wir oft in Lateinamerika

"Hier kann man Raubkopien kaufen. Sobald der Filme eine Woche im Kino ist, gibt es ihn hier. Wartet man eine Woche länger, ist die Qualität besser", erzählt uns Julia.

Kein Platz für emanzipierte Frauen

Julia möchte weg aus Guatemala. Die mangelnden Chancen auf gute Bildung, das konservative Denken, die Dominanz der Kirche. Das alles sind Umstände in Guatemala, die eine junge Frau wie Julia an ihrer vollen Entfaltung, einer Ausbildung und akademischen Laufbahn hindern.
In Deutschland fühlt sie sich am richtigen Fleck. "Es ist mein großer Traum, dort zu leben".

Von der vorherrschenden Gewalt und Korruption hat sie auch die Nase voll. "In Deutschland kannst du nachts auf die Straße gehen. Meine Eltern lassen mich mit 18 Jahren nicht mal in Guatemala Stadt alleine unterwegs sein".

Nach dem Tag mit Julia schätzen wir mal wieder, in Österreich zu leben. Jeder kann auf die Uni gehen, die Qualität der Ausbildung ist auch in öffentlichen Schulen bzw. Universitäten gut. In Guatemala muss man die Kinder bereits in eine private Volksschule schicken, damit sie einen anständigen Beruf ausüben können. Ansonsten würde ihnen ein fliegende Händler-Dasein blühen. Auf der Straße Obst verkaufen, jeden Tag von der Hand in den Mund leben. Und der Kreislauf würde sich mit den eigenen Kinder fortsetzen.

Danke nochmal Julia, für den spannenden Einblick in den Alltag in Guatemala! Du hast uns bereichert mit deinen Gedanken, deinem Ehrgeiz. Wir haben mal wieder auf unsere Heimat mit den Augen eines Nicht-Europäers geblickt.



Das Christkind war schon mal da....

"Das ist die schönste Stadt, die ich bis jetzt jemals in Lateinamerika gesehen hab", sagt Roland immer wieder, während wir durch Antigua spazieren. Es gefällt uns so gut dort, dass wir unseren Aufenthalt verlängern. Immer weiter schieben wir unseren Weiterflug hinaus.


Nach einer Woche in Antigua schaffen wir es doch, weiterzureisen. Als wir im Flieger sitzen, sehen wir nochmal die drei Vulkane die Antigua umgeben. "Wahnsinn, auf einem davon waren wir oben", murmelt Roland Richtung Fenster, während er den Auslöser drückt.

Für Weihnachten (ja, der Blog ist etwas weit hinten) haben wir bereits ein paar Wochen im Vorhinein eine Unterkunft gebucht. Wo das ist, erfahrt ihr in Kürze!

Wieso für Roland Weihnachten schon in Antigua war.... 

"Gibst ma bitte des kleine Kamera-Objektiv?"
"Ich kanns nicht finden. Habs nicht in meinem Rucksack. Hast das nicht du?"

Dann durchwühlen wir unser ganzes Zimmer, räumen den Rucksack und jede noch so kleine Tasche aus. Leichte Nervosität steigt in uns beiden hoch, ich spüre wie ich zu schwitzen beginne.
Unsere Befürchtung bewahrheitet sich: Das Objektiv ist nicht mehr da.

"Wo hast du es das letzte Mal gehabt?"
"Puh.....in Flores?!"

Dort waren wir vor drei Tagen. Zehn Stunden Busfahrt trennen uns von diesem Ort.

Wir versuchen den Check-Out Tag zu rekonstruieren....Ergebnis: Ich hab es nicht eingepackt, habs schön brav in dem Nachtkästchen gelassen, wo ich es aufbewahrt hab. Weil wir so schnell ausgecheckt sind, haben wir es einfach übersehen. Dort vergessen.

"Hoffentlich ist es noch dort! Rufma sofort an!"

Herrgott, ja es war noch da. Die haben es gefunden. Wie bringen wir nun ein 800-Euro Objektiv, das superempfindlich und zerbrechlich ist, nach Antigua? Mit der Post schicken scheidet definitiv mal aus.

Die nette Dame vom Hotel in Flores versucht herauszufinden, wie sie es uns am besten zukommen lassen kann. Roland und ich sitzen auf heißen Kohlen, während wir auf ihre Antwort warten. Schlimmstenfalls muss einer von uns nochmal mindestens 20 Stunden hin- und zurückfahren.

"Glaubst steckt sie es sich jetzt einfach ein? Die braucht ja nur mal googeln, was das Teil wert ist."
"Oder sie verlangt dann ordentlich von uns für ihren Speditionsdienst"
Negative Gedanken kreisen in unseren Köpfen.

Ein paar Stunden vergehen, dann die erlösende Whatsapp-Nachricht. Morgen Abend kommt es mit einem Bus in Antigua an, sie gibt es dem Chauffeur mit. Umgerechnet drei Euro sollen wir dem Mann für seinen Transportdienst geben.

Wuaaaahhhh, wir können unser Glück kaum fassen. Etwas nervös bin ich schon noch...ob es wirklich klappt und wir es tatsächlich wiederbekommen.

Tags darauf, spätabends dann haltet Roland das Päckchen in der Hand. Alles ist noch ganz. In Klopapier eingedreht und gepolstert liegt es in einer Schachtel. Herrgott sind wir dieser Frau dankbar! Wir schicken ihr gleich ein Foto von dem Packerl, bedanken uns tausendmal bei ihr, wünschen ihr allen Segen den es nur gibt für Weihnachten und das neue Jahr (auf Gottes Segen stehen die Latinos sowieso). "Du hast für uns heute schon Weihnachten gemacht", tippe ich in mein Handy ein und schicke ihr die Nachricht.


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